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Kurzbericht von der FSMA Tagung in Orlando, USA, im Juni 2011

Vom 23.-26.Juni 2011 fand die 27.FSMA-Konferenz in Orlando, USA, statt. Neben dem Treffen für die SMA-Familien kommen auch die Forscher und Ärzte zusammen, um sich über die Neuigkeiten bei der Suche nach einer Therapie für SMA auszutauschen. Nachfolgend ein kurzer Überblick vom Treffen des 15.SMA-Forschungsgruppen-Meetings bezüglich des Forschungsstandes.

 15. Families of SMA Research Group Meeting im Juni 2010: Neues von der Entwicklung einer Therapie

Im Juni 2011 fand in Orlando, USA, die 15. Families of SMA – Tagung statt. An dieser weltweit größten Veranstaltung zur SMA nahmen über 1500 Betroffene mit ihren Familien und etwa 200 Wissenschaftler teil. Der wissenschaftliche Kongress findet getrennt vom Treffen der Familien statt und umfasste 35 Vorträge aus allen Bereichen der SMA-Forschung (Grundlagen, Klinik und Therapie) sowie fast 80 Posterbeiträge.

In den vergangenen Jahren wurde immer deutlicher, daß nicht nur Motoneurone von der Erkrankung betroffen sind. Mehrere Vorträge beschäftigten sich alleine mit dieser Thematik. Im Nervensystem ist dabei offensichtlich auch der vegetative Anteil betroffen mit dem wichtige Funktionen des Körpers wie die Atmung und der Herzschlag gesteuert werden. SMA Patienten weisen eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines verlangsamten Herzschlags auf. Das SMN-Protein ist anscheinend auch für die Normalentwicklung des Herzens wichtig; SMA kann auch mit Veränderungen des Herzbaus einhergehen. Dr. Swoboda gab einen umfassenden Überblick systemischer Effekte unabhängig vom Motoneuronen-System: So zeigen sich bei auffällig vielen Patienten auch Veränderungen der Nieren, des Verdauungstraktes und auch der Bindegewebe. Alle diese Daten sind für die Entwicklung einer zukünftigen Therapie von großer Bedeutung. Da mit großer Wahrscheinlichkeit mehrere Organsysteme pathologische Veränderungen zeigen, wird es nicht ausreichen, nur die Verbindung von Motoneuronen und Muskulatur therapeutisch anzugehen. Vielmehr deutet viel darauf hin, daß eine mögliche Therapie eher systemisch ausgerichtet sein muss.

Bei der SMA handelt es sich natürlich trotzdem nach wie vor um eine Motoneuronen-Erkrankung. Motoneurone und Muskulatur sind durch neuromuskulären Endplatten, eine besondere Synapse, miteinander verbunden. Mehrere Arbeitsgruppen beschäftigten sich mit der Frage, inwieweit ein Mangel des SMN-Proteins im Muskel eine wichtige Rolle für die Pathogenese spielt, oder ob allein an Mangel in der motorischen Nervenzelle die Degeneration verursacht. Die Befunde sind hierzu nach wie vor unterschiedlich, allerdings deutet eine neue Untersuchung in einem Mausmodell der SMA doch darauf hin, daß eine Erhöhung des SMN-Spiegels ausschließlich im Muskel zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes führt.

Modelle der SMA in der Maus sind eine wichtige Voraussetzung für die Erforschung der Erkrankung. Dazu steht den Wissenschaftlern eine Reihe von unterschiedlichen Mauslinien zur Verfügung, die jeweils etwas andere Eigenschaften haben und auch die unterschiedlichen Krankheitstypen näherungsweise abbilden können. Die Entwicklung eines neuen Modells im Hausschwein wurde jedoch in diesem Jahr vorgestellt. Das ist ein besonders interessantes Modellsystem, da sich Mensch und Schwein in vielen physiologischen Aspekten sehr ähneln – das gilt auch gerade vor dem Hintergrund der Medikamenten-Entwicklung.

Bei der Entwicklung einer Therapie gibt es nach wie vor recht viele Ansätze. Das ist sicher positiv zu bewerten, da es keine gute Strategie wäre, sich nur auf einen oder wenige Wirkstoffkandidaten zu konzentrieren. Dies gilt auch gerade vor dem Hintergrund einer wahrscheinlich wichtigen systemischen Therapie der SMA (siehe oben). Eine wichtige Zielstruktur ist das SMN2-Gen, welches beim Menschen eine Art genetisches „back-up“ darstellt, aber nur in geringem Maße zur Synthese einer ausreichenden Menge des SMN-Proteins führt: Das Produkt des SMN2-Gens ist weitgehend instabil. Schützend wirkt hier eine größere Anzahl von SMN2-Kopien im Genom, so daß insgesamt mehr Protein in den Zellen hergestellt werden kann. Eine wichtige Strategie ist es, die Produktion des vollständigen SMN-Proteins zu erhöhen. Dabei können sogenannte Antisense-Oligonukleotide (ASOs) helfen. Diese verändern das Spleissmuster der Vorläufer-Boten-RNA so, daß mehr dieser RNA mit der vollständigen Information für die Synthese des SMN-Proteins zur Verfügung steht. In Mausmodellen sind solche ASOs durchaus in der Lage, das Überleben deutlich zu verlängern. Dabei ist eine frühe Gabe offensichtlich wichtig, um die Blut-Hirn-Schranke überwinden zu können. An der Entwicklung von ASO, die diese Schranke passieren können, wird zurzeit gearbeitet. Sehr interessant ist jedoch der direkte Vergleich zwischen einer Gabe von ASOs direkt in die Hirnflüssigkeit (Liquor) und Verabreichung unter die Haut. Eine solche systemische Gabe war nämlich in einem Mausmodell weitaus wirksamer, als die Anwendung im Liquor. Auch hier gilt es jedoch, möglichst früh in der Entwicklung mit der Anwendung zu beginnen. Mit einer verantwortungsvollen Verwendung in der Klinik wird es jedoch noch dauern: Im Jahr 2012 wird von einer Arbeitsgruppe zunächst mit einer Phase I – Studie begonnen.

Prof. Dr. Peter Claus,
Medizinische Hochschule Hannover